Märcheninterpretationen

02.01.2003 16:16
avatar  Sissi ( gelöscht )
#1
Si
Sissi ( gelöscht )

Hallo,
ich möchte demnächst mit meinem Projekt "Märchen" beginnen. Hierfür brauche ich jedoch noch ein paar Interpretationen von Märchen. Kann mir da vielleicht jemand weiterhelfen?
-Rumpelstilzchen
- Froschkönig
- Prinzessin auf der Erbse
- wolf + die 7 Geislein
- tapfere Schneiderlein


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02.01.2003 17:14
avatar  UJ ( gelöscht )
#2
UJ
UJ ( gelöscht )

>Hallo,
>ich möchte demnächst mit meinem Projekt "Märchen" beginnen. Hierfür brauche ich jedoch noch ein paar Interpretationen von Märchen. Kann mir da vielleicht jemand weiterhelfen?
>-Rumpelstilzchen
>- Froschkönig
>- Prinzessin auf der Erbse
>- wolf + die 7 Geislein
>- tapfere Schneiderlein

Hallo,
für welche Zielgruppe ist denn das gedacht?
Bye, UJ


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02.01.2003 19:09
avatar  sissi ( gelöscht )
#3
si
sissi ( gelöscht )

Hallo,
ich möchte das Projekt im Kindergarten mit den 5jährigen Kindern durchführen.


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02.01.2003 20:11
avatar  UJ ( gelöscht )
#4
UJ
UJ ( gelöscht )

>Hallo,
>ich möchte das Projekt im Kindergarten mit den 5jährigen Kindern durchführen.

Hi,
tja, das mit den Märchen ist so eine Sache ... Ursprünglich waren das nämlich keine Geschichten für Kinder, auch wenn sie diesen durch ihren Aufbau, ihre phantastischen Wendungen und ihre einfachen Schemata gut gefallen. Eine wirklich eingehende Interpretation fördert aber meist Dinge zu Tage, die ich mit dieser Zielgruppe nicht unbedingt bearbeiten würde, da dreht es sich nämlich häufig um sexuelle Themen, oft verbunden mit Gewalt- und Allmachtsphantasien, die zwar in Kinderköpfen rumkreisen, aber ich glaube nicht, daß eine Verarbeitung dieses Themas altersgemäß wäre. Märchen zu interpretieren ist häufig eine sehr psychologische Angelegenheit und setzt auch einige historische, anthropologische, soziolgische und religiöse Kenntnisse voraus. Ich würde Dir empfehlen, wenn Du wirklich bei Märchen bleiben willst, auf Kunstmärchen zurückzugreifen, die tatsächlich für Kinder als Zielgruppe geschrieben wurden.
Vor Jahren hab ich mal für ein kleineres (eigentlich sehr kleines) Magazin etwas über dieses Thema geeschrieben, ich häng es mal unten dran (womit ich jetzt nicht behaupten will, daß ich alle oben genannten Kenntnisse besitze und diese Deutungen auch wirklich richtig sind)(interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Buch "Kopf ab", von Bornemann glaub ich, kann mich aber auch irren).


Märchen, Symbole, Deutungen
oder
"Wie Rotkäppchen vergewaltigt wurde"


Von Rationalisten geschmäht und zu Kindergeschichten degradiert werden Märchen, egal in welcher Form, heute kaum noch beachtet. Dies ist allerdings sehr schade, lassen sie doch oft tiefe Einblicke in das Denken, die gesellschaftlichen Strukturen und das religiöse Empfinden früherer Generationen zu. Der Symbolgehalt setzt sich zusammen aus Traumelementen, Aberglauben, historischen Begebenheiten und häufig auch phantastischen Elementen, wobei sich diese Elemente innerhalb der Märchenstruktur verbinden und sich so argumentativ erweitern.
Besonders interessant zeigt sich in dieser Hinsicht das Vorhandensein von Traumsymbolismen und der Bezug zur volkstümlichen Religion, oder, weniger freundlich, auch Aberglauben genannt. Nehmen wir als Beispiel das Märchen von Rotkäppchen, das wohl jedem bekannt sein dürfte.
In dieser Geschichte wimmelt es nur so von Symbolen und Synonymen. Natürlich kann man es auch einfach nur als eine Geschichte über ein Mädchen ansehen, das nicht darauf achtet, was es tut, bzw., wohin es geht und dafür sofort durch den Wolf ,,bestraft" wird.
In Wirklichkeit jedoch ist das Ganze viel subtiler. Das beginnt schon mit der Farbe der Kappe, die ja bekanntlich rot ist. Für was aber steht die Farbe Rot, sowohl in der Farbenpsychologie als auch in der Traumsymbolik? Im allgemeinen für Begriffe wie Wut, Sex und Lebenskraft. Dies verbindet sich mit der im Märchen enthaltenen Warnung ,, ...nicht vom rechten Wege abzukommen". Verbunden mit der Figur des Wolfes (dessen häufiges Erscheinen in Märchen überhaupt meist ein Symbol für das Schlechte, Böse ist), ist schon klar ersichtlich, worum es eigentlich geht. Wobei sich auch aus der Wolfsgestalt interessante Querverweise auf den frühzeitlichen Seelenglauben, aus dem der Werwolfmythos ja entstanden ist, ziehen lassen. Der Wolf steht hierbei als für die natürlichen Triebe (vor denen sich der Mensch insbesondere in der damaligen Zeit fürchtet, mußte er doch immer wieder erleben, wie, ganz im Gegensatz zur herrschenden christlichen Lehrmeinung, der Mensch, wenn es sich um so elementare Dinge wie Fortpflanzung und gesicherte Nahrungsquellen ging, nicht allzu sehr vom Tier unterschied), die es zu beherrschen galt, um nicht vom ,,rechten Weg" abzukommen. Wobei sich die Definition des rechten Weges natürlich aus der Sicht der damaligen Moralvorstellungen und gesellschaftlichen Anschauungen ableitete.
Bis hierher läßt sich also anhand der Symbolik ableiten: Es geht um ein Mädchen, dessen sexuelle Bedürfnisse erwachen bzw. deren zukünftige gesellschaftliche Stellung durch die Gestalt des Wolfes gefährdet sein könnte. Wie bereits gesagt, steht der Wolf für die im Menschen herrschenden Triebe, aber auch als eher nebulöse Darstellung für die Angst vor unkontrollierter männlicher Gewalt, besonders im sexuellen Bereich. Manche Autoren gehen diesen Gedankenweg konsequent zuende und umschreiben das Märchen als nichts anderes als die traumatisierten Erlebnisse einer Vergewaltigung. Zweifellos spielen sexuelle Elemente hier eine große Rolle, und auch die unterschwellige Vergewaltigungsangst mag daran beteiligt sein, doch insgesamt erscheint mir diese alleinige Deutung als zu einfach, um nicht zu sagen, als zu platt. Selbst wenn man das Auffressen der Großmutter und des Mädchens selbst als Vergewaltigung interpretieren will, so sind doch noch genügend andere Symbolelemente enthalten, die eine mögliche Interpretation erweitern könnten. So steht zum Beispiel der Jäger als ein Symbol für das ordnende Prinzip, die Vernunft, der kontrollierten Gewalt, des gesellschaftlichen Establishments sozusagen. Interessant dabei ist, daß auch der Jäger eindeutig sexuelle Gewalt besitzt, was durch die Flinte symbolisiert wird. Diese stellt hier auch ein sexuelles Symbol, den Phallus, dar, allerdings auf eine Art und Weise, die, wie schon ausgeführt, gesellschaftlich akzeptiert wird. Dies ergibt sich aus der Figur des Jägers selbst. Dabei muß man die damalige soziale Stellung des Jägers einbeziehen, die eine ganz andere war als heute. Damals waren Jäger zumeist mit hoher gesellschaftlicher Akzeptanz ausgestattet, waren sie doch sozusagen ,,Angestellte" des jeweiligen Herrschenden. Durch ihren Beruf ergaben sich im allgemeinen für ihre Familien kaum Engpässe in der Versorgung, saßen sie doch gleichsam mit am Fleischtopf des Herrschers. Und für die mußten die Beherrschten ja immer brav sorgen.
Hinzu kam ihr Recht, Waffen zu tragen. Dies gab ihnen eine gewisse Macht über die vorwiegend bäuerliche Bevölkerung, war diesen doch der Besitz von Waffen häufig verboten, insbesondere, nachdem die Feudalherren aus den mittelalterlichen Bauernaufständen gelernt hatten. Wenn man diesen Gedanken weiterverfolgt, könnte man sogar soweit gehen zu sagen, daß der Jäger außerdem ein Symbol für die Macht des Herrschers darstellt, aber auch seiner Verantwortung seinen Untertanen gegenüber, der schließlich den als Wolf dargestellten Unhold erlegt und ihn relativ brutal (aus heutiger Sicht) ausweidet. Dies wiederum läßt erkennen, wie es mit dem Rechtsempfinden in der damaligen Zeit stand. Aug' um Auge, Zahn um Zahn, sozusagen. Doch das Aufschlitzen des Wolfes läßt auch andere Deutungen zu, denn nach dem Aufschlitzen steigen ja Großmutter und Mädchen unversehrt aus dem Wolf hervor. Dies läßt einmal an die Behauptung der christlichen Religion denken, die Frau sei aus dem Mann entstanden, wie es ja im Schöpfungsmythos bei Adam und Eva geschildert wird. Zum anderen läßt sich dabei eine Art Neugeburt interpretieren, was wieder die These des traumatisierten Vergewaltigungserlebnisses festigen würde, eine psychische Verarbeitung des Erlebnisses und anschließende Loslösung des Geschehenen. In der Tat vergleichen viele Opfer von Straftaten, Katastrophen oder auch andere Personen, denen eine Schädigung psychischer Art von außen zugefügt worden ist, die Phase, die der Verarbeitung folgt, die Akzeptanz und die Integration (im positiven Sinne) in ihr Leben, als eine Neugeburt, also als einen neuen Abschnitt ihres Lebens. Allerdings läßt die Befreiung der beiden Frauen auch eine tiefenpsychologische, ja, fast schon ,,magische" Deutung zu. Zum einen könnte das Emporsteigen aus dem Wolf ein Symbol des Geburtsvorganges an sich sein; verbunden mit dem Schlitz im Leib des Wolfes und dem austretenden Blut eine durchaus logische Annahme. Zum anderen könnte man diesen Geburtsvorgang (so es denn einer sein sollte) auch so interpretieren, daß der Mensch sich loslöst von seinen Trieben, dem ,,Urwilden" praktisch entkommt und sich dem rationalistischem Weltbild (dem Jäger) zuwendet. Bezeichnenderweise handelt es sich hierbei ja um Frauen, was sich gut mit dem patriarchalisch orientierten Weltbild decken würde. Das männliche Prinzip ,,befreit" also quasi das weibliche Prinzip aus seiner primitiven Befangenheit. Allerdings hat auch das seinen Preis, denn das weibliche Prinzip ist dem männlichen dadurch (einfach gefolgert) Dank schuldig und muß sich ihm deshalb unterwerfen. Warum aber steigen Frauen aus einem Wolf, der doch im allgemeinen als männlich dargestellt wird? Einfach deshalb, weil hier der Wolf nicht als ,,der männliche Wolf" erscheint, sondern als Symbol für das Schlechte, mit dem Frauen ja besonders in den früheren, christlich orientierten Zeiten (und leider auch heute noch) assoziiert wurden. Insbesondere mag bei dieser Symbolik die Rückschau auf frühere Zeiten und die Stellung der Frau in früheren Kulturen eine Rolle gespielt haben. So sind auch schon in vorgeschichtlichen Kulturen stets Mutter- bzw. Mondgöttinnen anzutreffen, deren beherrschendes Element die Erde und/oder die Nacht sind. Die Gründe hierfür sind einfach nachzuvollziehen. Vergleicht man den Menstruationszyklus der Frau mit dem stetigen Wechsel der Mondphasen, so läßt sich leicht ein psychologischer Deutungszusammenhang erkennen. Auch das Element der Erde, die ja Leben, sprich, für alle sichtbar, Pflanzen, also die Hauptnahrungsquelle der Ackerbaukulturen, "gebiert" und die Fähigkeit der Frau, Kinder zu gebären, stehen im selben Zusammenhang. Mit dem Seßhaftwerden der einstmals nomadisierenden Menschen jedoch galten andere Prioritäten, wie z.B. eine ausreichende Menge an Regen, von der die Ernte insbesondere in den Gegenden abhängig war, in der sich die ersten Kulturen etablierten, also im nahen und mittleren Osten. Durch den Erwerb von Landbesitz und somit wichtigen Ressourcen aber wurde es nicht nur notwendig, sich wie bisher wehrhaft gegenüber Feinden zu zeigen, sondern ein regelrechtes Abschreckungspotential zu schaffen. Dadurch erhöhte sich (vereinfacht gesagt) die Stellung des Mannes innerhalb der frühen Gesellschaften und er übernahm, sozusagen, die "Vormachtstellung". Die weitere Personifizierung der Naturkräfte schritt voran, und logischerweise wurden die positiven Kräfte (von denen man ja abhängig war) vermännlicht. Dies hatte zur Folge, daß der Gegenpol natürlich nur weiblich und somit negativ behaftet sein konnte. Die weitere Entwicklung setzte sich bis heute (leider!) fort und findet sich natürlich auch in Sagen und Legenden, Mythen und Märchen.
(C) by UJ


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02.01.2003 22:28
avatar  SabineB ( gelöscht )
#5
Sa
SabineB ( gelöscht )

Hallo!
Dein Artikel über Märchen ist richtig interessant und gut verständlich.
In welcher Zeitung/Zeitschrift ist es erschienen?
Gruss
SabineB


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03.01.2003 00:41
avatar  UJ ( gelöscht )
#6
UJ
UJ ( gelöscht )

>Hallo!
>Dein Artikel über Märchen ist richtig interessant und gut verständlich.
>In welcher Zeitung/Zeitschrift ist es erschienen?
>Gruss
> SabineB

Hallo,
danke :-)
Das ist damals im MHC #2 96 erschienen, wenn ich das noch richtig weiß - leider gibt's schon seit ein paar Jahren nicht mehr ...
Bye, UJ


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03.01.2003 12:58
avatar  sissi ( gelöscht )
#7
si
sissi ( gelöscht )

Hi,
erst mal ganz lieben Dank für den super Artikel, ist echt gut.
Ich möchte die Interpretationen nicht mit den Kindern durchgehen, habe nur gedacht, dass ich diese evtl. für den Bericht für die Schule bräuchte, denn mein Lehrer will bestimmt wissen, warum ich gerade das Märchen vorlese, was ich damit erreichen will etc.

lg Katja :-)


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03.01.2003 23:55
avatar  UJ ( gelöscht )
#8
UJ
UJ ( gelöscht )

>Hi,
>erst mal ganz lieben Dank für den super Artikel, ist echt gut.
>Ich möchte die Interpretationen nicht mit den Kindern durchgehen, habe nur gedacht, dass ich diese evtl. für den Bericht für die Schule bräuchte, denn mein Lehrer will bestimmt wissen, warum ich gerade das Märchen vorlese, was ich damit erreichen will etc.
>lg Katja :-)

Hallo,
dafür brauchst Du derartige Interpretationen nicht, denn wie Conny schon ganz richtig angemerkt hat, sehen Kinder Märchen völlig anders.
Hier könnten sich die Verbindungen mit Deiner Zielsetzung (denn die brauchst Du zuerst) einfach aus dem Offensichtlichen ableiten.
Einfaches Beispiel:
Goldmarie und Pechmarie (so war glaub ich der Titel), die eine der beiden ist fleißig und hilft und wird entsprechend belohnt, die andere ist das Gegenteil und wird bestraft. Oder Hans im Glück: Hans zieht sein Ding durch, ohne sich beirren zu lassen, was sich letztendlich als OK herausstellt. Derlei handlungsimmanente Begründungen lassen sich haufenweise finden ...
Bye, UJ


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04.01.2003 10:25
avatar  Conny ( gelöscht )
#9
Co
Conny ( gelöscht )

Eben, und genau diese findest Du in der "Märchenkunde für ERzieher". Geschwisterproblematik bei Hänsel und GRetchen oder bei Frau Holle, etc. Da sind Kapitel mit pädagogischen Aspekten aufgeführt und bieten die entsprechenden Märchen.
Und mehr solltest Du auch nicht verwenden, sonst gehst Du zu sehr in die Tiefe und überfrachtest die Sachanalyse...


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04.01.2003 15:37
avatar  UJ ( gelöscht )
#10
UJ
UJ ( gelöscht )

scheint es im Handel so nicht mehr zu geben - hätte mich schon interessiert ...
Es gibt auch noch "Familienkonflikte im Märchen", das ich aber nur für bedingt empfehlenswert halte ...
Bye, UJ


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04.01.2003 14:11
avatar  sissi ( gelöscht )
#11
si
sissi ( gelöscht )

Vielen Dank, ihr habt mir damit ein ganzes Stück geholfen, so werde ich das auch angehen.
lg sissi


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03.01.2003 16:32
avatar  Conny ( gelöscht )
#12
Co
Conny ( gelöscht )

Ja, bitte, gehe die Sachen nicht mit den Kindern durch, denn Du verdirbst damit den Sinn und die EIgenart des Märchens!
Wenn Du etwas über den tiefenpsychologischen HIntergrund brauchst, lies Dir den Spinner "Bruno Bettelheim: Kidner brauchen Märchen" durch... Aber nur für Erwachsene, nicht für die Kinder.
Sehr gut ist das Buch von Schaufelberger "Märchenkunde für Erzieher", in diesem Buch werden die für Kinder relevanten Aspekte von Märchen sehr gut nachvollziehbar. Und es werden auch MEthoden der Anwendung, Aufarbeitung und Vorbereitung aufgzeigt.
Und wie bereits erwähnt: Jegliche Interpretationen sind von Erwachsenen geschrieben und vermissen den Blick der Kinder auf Märchen!Ich glaube kaum, dass ein Mädchen das Märchen vom Dornröschen mit der ersten Blutung oder der Entjungferung gleichsetzt... (Bettelheim wohl)..


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