Re: Technische Früherziehung in Kitas ?!

19.02.2003 23:42
avatar  Kolja Richter ( gelöscht )
#1
Ko
Kolja Richter ( gelöscht )

Von technischen und naturwissenschaftlichen Experimenten im Kindergarten halte ich sehr viel.

Die meisten Kinder in meiner Gruppe interessieren sich sehr für Phänomene aus Natur und Technik. Jedesmal wenn ich etwas reparieren muss, kommen Kinder angerannt, schauen neugierig, machen kleine Handreichungen, wollen mithelfen. Wenn Spielen und kreatives Gestalten die einzig altersgemäßen Beschäftigungen für Kinder sind, warum hauen unsere Kinder jedesmal vom Mandalamalen ab, wenn der Techniker kommt, um die kaputte Spülmaschine zu reparieren? Warum stiehlt der Bauarbeiter hinterm Zaun uns Pädagogen so oft die Show?

Im Moment haben wir Temperaturen unter Null und die Kinder finden Eis sehr spannend. Allein ein Glas voll Eis zu sammeln, es auf die Heizung zu stellen und zu sehen wie es schmilzt. Sich darüber wundern, dass die ungleichmäßig geformten Klumpen so viel Platz weggenommen haben und das Wasser am Ende so wenig Platz braucht.

Meine Kinder interessieren sich auch für Meßgeräte. Am Mittagstisch gab es manchmal Zank, in welchem Puddingschälchen am meisten Puddding drin ist. Da kam ich auf die Idee, den Pudding mit der Küchenwaage zu wiegen, um zu schauen, ob die Portionen wirklich so ungerecht sind. Die Kinder interessierten sich wahnsinnig für die Waage und wollten unbedingt selbst Schälchen auswiegen und vergleichen. Die wollten den Pudding gar nicht mehr essen, so sehr waren sie ins Wiegen vertieft.

Ich vermute, dass wir uns oft scheuen, naturwissenschaftliche Themen zu behandeln, weil wir schlechte Erinnerungen an den Schulunterricht haben. Aber wir müssen ja nicht die Fehler unserer Physiklehrer an den Kinder wiederholen. Ein Beispiel aus unserer Einrichtung. Es gab mal ein Bilderbuch mit dem Titel "Immer dasselbe mit dem Konrad". Das handelt von einem Jungen, der alle technischen Geräte in seiner Umgebung zerlegt. Die Erwachsenen sehen das als "kaputt machen". Konrad geht es aber darum, zu verstehen, wie die Geräte funktionieren. Irgendwann fängt er an, die zerlegten Geräte zu neuen Maschinen zusammen zu setzen, von denen manche sogar nützlich sind. Dieses Buch liebten vor allem unsere Jungs. Wir haben dann ein altes Radio vom Sperrmüll mitgebracht und es von den Kindern mit Schraubenziehern und Zange zerlegen lassen. Das war schon sehr spannend, was ist so einem Kasten eigentlich drin ist. Natürlich verstehen sie jetzt nicht, wie ein Radio funktioniert. Aber das Interesse der Kinder richtete sich ohnehin auf die Dinge, die sie bewältigen konnten, z.B. wie ist das Gehäuse verschlossen, was für Schrauben gibt es, in welche Richtung dreht man eine Schraube, wozu ist eine Zange da, wozu ein Maulschlüssel? Wie kriegt man das Radio wieder zusammengebaut?

Bei unseren Hortkindern werden die Fragen bisweilen sehr konkret. Kürzlich fragte mich eine Drittklässlerin, wie ein Überschallknall entsteht. Unsere Einrichtung wird nämlich gelegentlich von Düsenjägern überflogen. So genau wußten wir es auch nicht. Ich denke, wenn wir unsere Kinder auf das Leben in einer Wissensgesellschaft vorbereiten wollen, müssen wir selbst auch Vorbild sein und bereit sein, neues zu lernen. Und eben auch versuchen rauszukriegen, was ein Überschallknall ist.

Ein letztes Beispiel: Turnstunde mit Luftballons. Ich reibe einen Ballon an meinem Wollpullover und lade ihn so elektrisch auf. Er knistert als ich ihn vom Pullover wegziehe. Jetzt kann er an der Decke oder an Wänden kleben. Das elektrische Feld läßt Haare zu Berge stehen und wenn man den Ballon dicht vors Gesicht hält kann man es sogar spüren. Die Kinder wollen auch. Ich ziehe den Pullover aus, lege ihn auf eine Matte und jetzt spielen die Kinder ausgiebig mit dem "Klebeballon". Man muss mit 4-5 Jahren nicht unbedingt verstehen, was genau ein elektrisches Feld ist. Aber wenn in der 9. oder 10. Klasse über statische Elektrizität gesprochen wird (und oft wird leider nur darüber geredet), dann sagt sich das Kind vielleicht: Ah, darüber weiß ich etwas. Wir haben mal Luftballons elektrisch geladen. Ich weiß wie man es macht, wie es sich anfühlt, wie es klingt. Die Theorie, die dann vom Lehrer kommt, setzt nämlich oft voraus, dass die Schüler außerhalb der Schule bereits Erfahrungen mit dem Phänomen gemacht haben. Warum soll sich ein Schüler für statische Elektrizität interessieren oder sie für wichtig halten, wenn er noch nie Erfahrungen mit diesem Phänomen gemacht hat.

Experimentieren kann großen Spaß machen, wenn der Schwerpunkt auf dem Schauen und Tun liegt, statt auf ausgefeilten Theorien.

>Hallo ihr Lieben,
>An unserer Schule haben wir zum ersten mal das Fach Technische Früherziehung installiert. Wir überlegen, wie wir Kinder spielerisch für Technische Phänomene sensibilisieren und begeistern können. Über Technische Experimente wollen wir z.B. Kindern wichtige Prinzipien aus Natur, Wissenschaft und Technik vermitteln.
>Von euch möchten wir nun wissen, was ihr davon haltet Kinder schon im Kindergartenalter mit Technischer Früherziehung zu konfrontieren??
>Habt ihr schon Erfahrungen zu diesem Thema gemacht? Teilt mir diese bitte mit.
>Ich freue mich über eine Antwort von euch.
>Vivian


 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!