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Stellungnahme Jugendamt Stuttgart zur KMK Rahmenvereinbarung: Brief an Städ
Vom folgenden Brief habe ich Kenntnis erhalten:
______________________________________________________
An den
Städtetag Baden Württemberg
Frau Agnes Christner
Postfach 103442
70029 Stuttgart
Von:
Amtsleiter des
Jugendamtes der Landeshauptstadt Stuttgart
Stuttgart, 25.Mai2000
Wilhelmstraße 3
70182 Stuttgart
Ausbildung und Prüfung von Erziehern/Erzieherinnen;
Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz vom 28.1.2000
Sehr geehrte Frau Christner,
in unsere folgenden Anregungen und Wünsche zur Umsetzung der o.g. Rahmenver-einbarung fließen die langjährigen Erfahrungen des Jugendamtes Stuttgart ein, die wir als Träger von 180 Tageseinrichtungen für Kinder mit rund 50 Anerkennungsprakti-kumsplätzen und 60 Vorpraktikumsplätzen/jährlich gemacht haben. Unsere Stellung-nahme ist zudem von der Hoffnung getragen, daß es doch noch gelingt, auf diese Weise einen qualifizierten und quantitativ ausreichenden sozialpädagogischen Fachkräfte-nachwuchs für unsere im Ausbau befindlichen Tageseinrichtungen zu sichern.
1. Vollständige Integration des Anerkennungspraktikums in die Fachschulausbildung incl. Auslandspraktikum
Die der Rahmenvereinbarung zugrunde liegenden Qualifikationsbeschreibungen der Jugendministerkonferenz vom 25./26.6.1998 spiegeln realistisch die deutlich gestie-genen Qualifikationsanforderungen in der sozialpädagogischen Praxis vor allem in den Großstädten wider. Gleichwohl sehen wir eine Diskrepanz in diesen Anforde-rungen und den Ausbildungsstrukturen - insbesondere bezüglich der mangelnden Verzahnung von Theorie und Praxis. Die unter 4.2 beschriebenen Persönlichkeits- und Wissensqualitäten lassen sich in einer 3jährigen Ausbildung mit den wenigen Vorerfahrungen der Fachschülerinnen nur entwickeln durch eine wesentlich intensi-vierte theoriegeleitete Praxisreflexion. Dies kann nur durch eine vollständige Integration des Anerkennungspraktikums in die Fachschulausbildung und durch eine stär-kere Einbeziehung der Fachschul-Ressourcen in die Praxisphasen gesichert werden.
Dies sollte ein 4-12 wöchiges Auslandspraktikum (Interkulturelle Selbsterfah-rung/Fremdheitserfahrung) im europäischen Rahmen zwingend mitbeinhalten.
Wir stellen dies ausdrücklich vor dem Hintergrund fest, daß wir zur Zeit Anerkennungspraktikantinnen als Zweitkräfte einsetzen. Wir wünschen eine nachhaltige Integration der Lernorte "Schule" und "Praxis". Wir wollen dabei unseren Beitrag leisten, um in situationsbezogenem Projektlernen den Fachschülerinnen ein forschendes, entdeckendes, disziplinübergreifendes und kooperatives Lernen zu ermöglichen. In diesem Kontext sind wir bereit, die Qualität des "Lernort Praxis" durch ein neues Ausbildungskonzept wesentlich zu verbessern.
2. Gemeinsame Lern-Prinzipien an den Lernorten "Schule" und "Praxis"
Die gesamte Ausbildung sollte die Prinzipien der pädagogischen Arbeit zum Grund-satz eigener Lernprozeßgestaltung machen. Dazu gehört nicht nur eine stärkere Strukturierung der Fachschulangebote in Pflichtanteile und Wahlbereiche, um die Selbstkompetenz der Schülerinnen zu verbessern. Dazu gehört auch die Einführung von handlungsorientierten Methoden, Freiarbeit, Projektarbeit, für die ein großzügigerer Zeitrahmen geschaffen werden sollte. Das Zusammenhangsdenken und eine ganzheitliche Theoriebildung könnte auch gefördert werden, indem verstärkt aus fachlichen Situationen und Problemstellungen heraus eine Antwort-Auffächerung in verschiedenen Fächern erfolgt. Persönliche Schlüsselkompetenzen wie z.B. Frustationstoleranz oder Empathie können gefördert werden, durch eine persönlich begleitete selbstkritische Reflexion über den Fortgang des individuellen Lernprozesses.
3. Inhalt der Ausbildung/Rahmenvorgaben
In den folgenden Schulausbildungsbereichen sehen wir verschiedene Vertiefungen als besonders dringend an:
· Bereich "Kommunikation und Gesellschaft":
Kommunikation und Kooperation (Vermittlung und Erproben von grundlegenden Kommunikationstheorien, Techniken und Methoden)
- Praktische Grundlagen (Grundkurs) hinsichtlich einer bestimmten Gesprächsführungsmethode (z.B. TZI, klientenzentrierte Gesprächsführung etc.)
- Methoden der Reflexion von Eigen- und Fremdwahrnehmung
- interkulturelles Lernen
- Erwachsenenbildung
- Öffentlichkeitsarbeit/Sponsoring/Ehrenamtlichkeit (Umgang mit Medien wie Video/PC etc.)
- Partizipation von Kindern und Eltern (KJHG, UN Kinderrechtekonvention)
· Bereich "Sozialpädagogische Theorie und Praxis"
- Beobachten von Kindern und Orientierung an den Bedürfnissen und Interessen von Kindern und Eltern
- lebensweltorientierter Ansatz
- Projektarbeit (prozessorientierte Planung, Durchführung, Reflexion, Evaluation)
- Auseinandersetzen mit Leitungsrollen/-Verantwortlichkeiten
- Familienbildung bzw. Angebot zur Unterstützung von Eltern/ jungen Familien
- Entwicklungspsychologie/Sinnesentwicklung/Sprachentwicklung/heilpädagogische Ansätze; insbesondere sollten die neuen Erkenntnisse der internationalen Hirnforschung als Grundlagenwissen in das FS-Curriculum integriert werden.
· Bereich "Musisch-kreative Gestaltung" sollte als projekthafte Umsetzung des Bildungsauftrages akzentuiert werden; die-ser Ausbildungsbereiches sollte auch vernetzt werden mit Integrationsarbeit und heilpädagogischen Ansätze.
· Bereich "Ökologie und Gesundheit"
- Kochen und Essen mit Kindern sollte eindeutig in der Fachschulausbildung verankert sein.
· Bereich "Organisation, Recht, Verwaltung"
hier sollten volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Ansätze und die Möglichkeiten und Strukturen eines Qualitätsmanagement im pädagogischen Bereich verankert werden.
4. Allgemeinbildung muß verstärkt werden
Die gestiegenen Anforderungen an die Persönlichkeit und an die Wissensqualität der Erzieher/-innen kann nur entsprochen werden, wenn die zukünftigen sozialpädgogischen Fachkräfte
- neue kulturelle Gegebenheiten in unserer Gesellschaft intensiv reflektieren lernen,
- gesellschaftliche und sozialpolitische Zusammenhänge erfaßen und diskutieren können (vor allem bezogen auf Migration und auf stadtsoziologische, sozialstrukturelle Veränderungen)
- naturwissenschaftliche Grundkenntnisse als Basis für die situationsorientierte Erfüllung des Bildungsauftrages (im Bereich der Physik, Biologie, Chemie in bezug auf Ereignisse und Organismen in der Natur) erwerben und vertiefen können.
Ganz allgemein erachten wir es als notwendig, daß der Abschluß einer baden- württembergischen Fachschule für Sozialpädagogik das Niveau der Fachhochschulreife aufweist.
5. Ausbildungsabschluß sollte zukünftig Fachhochschulreife beinhalten
Angesichts der bereits genannten Praxisanforderungen und angesichts des Zieles, diesen Berufsabschluß wieder attraktiv zu machen für mehr Realschulabgängerinnen mit guten Schulnoten schlagen wir vor, daß der Ausbildungsabschluß eine Fachhochschulreife beinhaltet. Dies sollte nicht durch eine verstärkte Verschulung der Fachschule erreicht werden, sondern durch eine neuartige Einbeziehung der Zeit des Vorpraktikums und der Ressourcen der Berufsschule in einen systematischen Qualifikationsaufbau für die Fachhochschulreife. Wir sind bereit, dazu unseren Beitrag als Anstellungsträger der Vorpraktikantinnen zu leisten. Ein systematisches Konzept für ein aufgewertetes Vorpraktikum, in dem die Beteiligten hinsichtlich ihrer Arbeitshaltung und beruflichen Haltung nachhaltig geprägt werden, sollte mit uns gemeinsam entwickelt werden.
Abschließend darf ich unserer Erwartung Ausdruck verleihen, daß wir bei den weiteren Gesprächen über die Ausgestaltung der o.g. Rahmenvereinbarung beteiligt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Bruno Pfeifle
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