Ist die Ausbildung noch zeitgemäß? Ein Streitbeitrag

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18.03.2004 21:26
avatar  Wigbert Draude ( gelöscht )
#1
Wi
Wigbert Draude ( gelöscht )

Mal ganz ehrlich: passt die Fachschulausbildung mit und ohne Lernfeld noch zur Bildungslandschaft des Elementarbereichs? Sie passt nicht, das wird heute von PolitikerInnen über GewerkschafterInnen bis hin zur Arbeitgeberseite betont.
Die dabei ausgestoßene beschwörende und gebetsmühlenartig wiederholte Formel "Im europäischen Ausland wird die Erzieherin - außer in Österreich - auf Hochschulniveau ausgebildet" nützt aber nicht viel, weist allerdings darauf hin, dass unsere europäischen Nachbarn auch auf diesem Gebiet schon längst weiter sind.
Warum geht es nicht voran? Es ist ein Tabu-Thema.
> Viele Erzieherinnen fühlen sich durch eine solche Forderung diskriminiert
> die Fachschulen bangen um ihre Existenzberechtigung
> viele konservative Poltiker sehen trotz andersartiger Äußerungen den Elementarbereich immer noch als Spielwiese für Kindergartentanten
> gleichzeitig stöhnen Fachschulen und Praxis gemeinsam über das weiter fallende Niveau von Auszubildenden in diesem Bereich.

Wenn der Elementarbereich die Basis für weitere Bildung bedeutet ( ich will hier keine Konstruktivismus-Debatte lostreten, aber die Auseinandersetzung mit dem Bildungsbegriff sollte mal ernsthaft geführt werden), muss eine Hochschulausbildung her. Oder wie wäre es mit der Ausbildung von Lehrkräften auf Fachschulniveau? Diese Forderung würde niemand erheben.
Versuche gibt es mittlerweile in Berlin, Freiburg, Emden usw. , auf FHS-Niveau auszubilden, z.T. in Kooperation mit Fachschulen. Kennt jemand andere Versuche, die Ausbildung auf Hochschulniveau anzuheben? Gibt es Bedenken inhaltlicher Art?


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21.03.2004 16:05
avatar  Nottebaum ( gelöscht )
#2
No
Nottebaum ( gelöscht )

Hallo Herr Draude,
meine Position ist in dieser Frage klar, denn natürlich ist die Schulausbildung nicht zeitgemäß - auch dann nicht, wenn man von einem ´Fachschulexamen´ spricht, die bisherigen Schüler als ´Studierende´ bezeichnet und das Fachlehrersystem zu Gunsten eines ´Lehrerpools´ abschafft. Offizielle Lesart : Es sollen möglichst wenig Lehrkräfte im Bildungsgang unterrichten, die möglichst viele Fächer vertreten - sogar wenn es fachfremde Fächer sind. Wahrlich ein Quantensprung in der Qualitätsoffensive der SPD/Grüne-Koalition in Düsseldorf, die Bildungsstandards überall einführen will, aber den ErzieherInnen für ihre Ausbildung verbietet. Hieß es zunächst, eine 2-jährige Berufsausbildung oder die 2-jährige Berufsfachschule Sozialwesen mit FH-Abschluß seien Eingangsvoraussetzung, so gibt es inzwischen mindestens 7 verschiedene Möglichkeiten, u.a. sogar die, wenn einer die Berufsfachschule nicht mit Erfolg abgeschlossen hat, dann hat er auch den Passierschein ! Hieß es zunächst, man kann eine einmal nicht bestandene FH-Prüfung nicht wiederholen, so könen jetzt alle, die diese Prüfung an der Berufsfachschule/Fachoberschule nicht bestanden haben bzw. nicht so gut bestanden haben, wie erhofft, diese in der Erzieherausbildung erneut anpeilen und gegebenenfalls verbessern ! Inwieweit die Sache mit den Lernfeldern und vor allem mit den Lernsituationen einem bundesweit vergleichbarem Ausbildungsstandard förderlich ist, will ich hier erst gar nicht weiter anschneiden. Ich stelle nur fest, dass es an den Wählern liegt, den Parteien klar zu machen, dass NRW nicht das Schlußlicht aller Bundesländer sein muß. Im Kindertagesstättenbereich ist es ja, wie letzte Woche bekannt wurde, ohnehin der Fall und durch den Wegfall der Zuschüsse steht bis 2007 die Schließung der Horte und Verkleinerung der Gruppenzahl der Kindertagesstätten an. Es ließen sich noch mehr Punkte nennen. Immerhin hat sich die Düsseldorfer SPD/GRÜNE als Reaktion auf einen FDP-Antrag ´Qualitätsoffensive Elementarpädagogik - Optimale Bedingungen für die Förderung unserer Kinder schaffen" (und aus Furcht vor den kommenden Landtagswahlen) dazu aufgerafft, einen eigenen Entschließungsantrag einzubringen, in dem sie die Landesregierung in 7 Punkten u.a. dazu auffordern,
1) die Bildungsprozesse im Elementarbereich zu stärken,
2) die Diskussion über die Weiterentwicklung des Bildungssystems Elementarpädagogik voranzutreiben
3) die Ergebnisse des Modellversuchs zur Fachhochschulqualifizierung von
Erzieherinnen(Berlin) darzustellen und zu bewerten
Vielleicht kommt jetzt etwas Bewegung in die Diskussion in NRW.


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21.03.2004 23:34
avatar  Kolja Richter ( gelöscht )
#3
Ko
Kolja Richter ( gelöscht )

Welche Vorschläge haben Sie, was mit den derzeit eingesetzten Fachkräften geschehen soll? Das würde ich schon gerne erfahren.


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22.03.2004 16:36
avatar  Nottebaum ( gelöscht )
#4
No
Nottebaum ( gelöscht )

Sorry,
aber ich weiß nicht, wieso meine Gegenüberstellung in 2 Spalten nicht funktioniert hat. Also schreibe ich es anders :
Neue Kinderpflegerausbildung mit 5 Lernfeldern :
LF 1 : Berufliche Identität entwickeln
LF 2 : Beziehungen im pädagogischen Alltag entwickeln
LF 3 : Bedürfnisse der Kinder erkennen und in das berufliche handeln einbeziehen
LF 4 : Erziehungs- und Bildungsprozesse sowie Pflege- und Versorgungshandlungen
planen, durchführen und reflektieren
LF 5 : Im Team an sozialpädagogischen Aufgaben/Konzepten mitarbeiten

Neue Erzieherausbildung mit 4 Lernfeldern :
LF : Berufliche Identität entwickeln (gestrichen)
LF 1 : Kinder und Jugendliche in ihrer Lebenswelt verstehen und Beziehungen
zu ihnen aufbauen
LF 2 : Gruppenpädagogisch handeln und soziales Lernen fördern
LF 3 : Entwicklungs- und Bildungsprozesse unterstützen
LF 4 : Professionell in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten
Ein inhaltlicher Vergleich wäre recht interessant, denn wenn die Kinderpflegerausbildung wirklich die Voraussetzung für die Erzieherausbildung sein soll, dann weiß der angehende Erzieher auf Grund seiner Kinderpflegerausbildung ja schon längst aus Theorie und Praxis, wie man Beziehungen im pädagogischen Alltag entwickeln kann. Er muß also nicht unbedingt im Rahmen seiner Erzieherausbildung erst einmal lernen, Kinder und Jugendliche zu verstehen und Beziehungen zu ihnen aufzubauen (LF 1)......
Mit freundlichem Gruß
R.Nottebaum


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22.03.2004 16:21
avatar  Nottebaum ( gelöscht )
#5
No
Nottebaum ( gelöscht )

Hallo,
auch hier lohnt sich ein Blick über die Grenzen auf die Niederlande. Dort hat man 1985 mit einem Strich Kindergärten und Grundschulen abgeschafft und die basisschule eingeführt. Das damalige Kindergartenpersonal hatte die Gelegenheit,in einem Zeitraum von 5 Jahren an der Hochschule eine berufsbegleitende Nachqualifikation zu erwerben. Warum sollte das nicht auch bei uns gehen ? Übrigens, selbstverständlich würden nicht alle Fachschulen aufgegeben werden können, denn die restlichen Fachschulen müßten die reformierte Kinderpflegerausbildung übernehmen. Dies wäre für sie nichts Neues, denn diese neuen Richtlinien in NRW lehnen sich inhaltlich und formal - lt. Entwurf vom 13.10.2003 - ohnehin eng an die Lernfelder der kommenden Erzieherinnenausbildung an und verstehen sich mit ihren Aufgabenfeldern und Lernsituationen ebenfalls als Spiralcurriculum:
Fachrichtung Kinderpflege Fachrichtung Erzieher
LF 1 : Berufliche Identität ent- LF Dieser Aspekt ist im neuen
wickeln Entwurf gestrichen
LF 2 : Beziehungen im pädagogischen LF 1 : Kinder und Jugendliche in ihrer
Alltag aufbauen Lebenswelt verstehen und Be-
ziehungen zu ihnen entwickeln
LF 3 : Bedürfnisse des Kindes erkennen LF 2 : Gruppenpädagogisch handeln und
und in das berufliche Handeln soziales Lernen fördern
einbeziehen
LF 4 : Erziehungs- und Bildungspro- LF 3 : Entwicklungs- und Bildungsprozesse
zesse sowie Pflege- und Versor- unterstützen
gungshandlungen planen, durch-
führen und reflektieren
LF 5 : Im Team an sozialpädagogischen LF 4 : Professionell in Einrichtungen
Aufgaben/Konzepten mitarbeiten der Kinder- und Jugendhilfe
arbeiten
Langfristig ist es meines Erachtens ohnehin die Frage, wann es dann ein gemeinsames Grundstudium von ErzieherInnen und GrundschullehrerInnen mit Spezialisierung in Früh- und Grundschulpädagogik (vgl.z.B.Schweden und andere EU-Länder)geben wird. Nur so finden die im Kindergarten angelegten Bildungsprozesse in Schule ihre Fortsetzung. So weit nun ein Teil der bildungspolitischen Visionen eines Praktikers.
Mit freundlichen Grüßen
R.Nottebaum


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22.03.2004 18:37
avatar  Kolja Richter ( gelöscht )
#6
Ko
Kolja Richter ( gelöscht )

Berufs- und Bildungspolitisch wäre eine solche Nachqualifizierung an der FH aber wünschenswert. Erst kürzlich habe die Fernuni Hagen auf den neuen B.A. Studiengang in Berlin aufmerksam gemacht, und angeregt, über eine Zusatzqualifikation für derzeit arbeitende Erzieherinnen nachzudenken.

Interessant ist für mich die Frage, ob die europaweite Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen mit einer Erzieherausbildung an der FH tatsächlich hergestellt wäre. Da jedes Land eigene Curricula für den Elementarbereich hat, vermute ich, dass in der Praxis wenig Chancen bestehen, auf dem europäischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ich kenne bislang nur dem Umgang der deutschen Behörden mit ausländischen Bildungsabschlüssen, aber der ist reichlich unflexibel.

Ich möchte gerne noch einmal eine These von Wigbert Draude aufgreifen: Eine Lehrerausbildung an der Fachschule würde niemand befürworten.

Ist das wirklich so? Ich bin durchaus damit vertraut, wie Lehrerausbildung in NRW aussieht ist. Dass im Studium pädagogische Handlungskompetenz in nenneswertem Umfang erworben wird, ist mir unplausibel. Was das Referendariat angeht: Eine ordentliche Begleitung der Referendare wird aus Gründen der Kostenersparnis zunehmend durch "bedarfsdeckenden" Unterricht ersetzt. Im Endeffekt bleibt mir der Eindruck: 5 Jahre Theorie pauken (und nicht mal pädagogische Theorie) und dann der Sprung ins kalte Wasser. Man könnte hier tatsächlich etwas von der Erzieherausbildung lernen. Im übrigen halte ich Qualitätsverbesserungen in der Sekundarstufe für das dringlichste Problem im deutschen Bildungswesen.

Jetzt noch ein paar Worte zu der Behauptung, Erzieher im Ausland seien besser qualifiziert. Hier kann ich zumindest den Vergleich zu England ziehen. Im England gibt es den nursery teacher. Seine Ausbildung ist vergleichbar mit der eines primary teacher. Tatsächlich kann der nursery teacher auch an in den ersten Jahrgängen der Grundschule unterrichten. Wie sieht die Ausbildung dieser pädagogischen Superwaffe konkret aus?

Der angehende nursery teacher wird in aller Regel zunächst einen B.A. honours erwerben. Damit seine Bewerbung bei der teacher training agency Aussicht auf Erfolg hat, wird er möglichst Kursmodule studieren, die sich auf Fächer des nationalen Curriculums beziehen. Zu nennen wären hier vor allem Englisch, Mathematik, Informationstechnologie, Naturwissenschaften, Fremdsprachen, Literaturwissenschaften, Geographie und Geschichte. (Es gibt noch mehr.) Für einen angehenden primary teacher ist es von Vorteil, wenn es sich nicht in einem Fachgebiet spezialisiert hat, sondern einen guten Mix von Fächern abgedeckt hat. In der Regel hat der angehende nursery teacher am Ende seines Studiums noch NICHTS über Pädagogik, Didaktik-Methodik, Entwicklungspsychologie, Soziologie oder andere relevante Fachgebiete erfahren. Damit seine Bewerbung Chancen hat, wird er sich selbst ein Schulpraktikum organisieren, für dessen Durchführung es keine besonderen Richtlinien gibt. Wenn die teacher training agency ihn annimmt, erwirbt er in einem Jahr das sogenannte PGCE, mit dem er qualified teacher status erlangt. In diesem einen Jahr bekommt er dann im Schnelldurchgang sein pädagogisches Handwerkszeug vermittelt und verbringt insgesamt 18 Wochen in der Schule, wo er praktische Erfahrungen sammeln kann. Nochmal Klartext: Insgesamt 18 Wochen praktische Erfahrung an der Schule und fertig ist der nursery teacher! Ich muss das hier beschriebene dadurch relativieren, dass es auch Studiengänge gibt, bei denen die Lehrbefähigung nicht postgradual erworben wird, sondern in das B.A. Studium integriert ist. Bei solchen Studiengängen sammelt der angehende Lehrer bis zu 32 Wochen praktische Erfahrungen in der Schule, bevor er dann als qualified teacher auf die Kinder losgelassen wird.

Insgesamt stellt sich mir die Frage, ob das wirklich so ein tolles Ausbildungskonzept ist, und ob die Erzieherausbildung in NRW hinsichtlich ihres Praxisbezuges nicht doch ihre Stärken hat. Ich wäre sehr neugierig, mehr darüber zu erfahren, wie die Erzieherausbildung in anderen europäischen Ländern konkret aussieht. Einfach nur auf das formale Niveau der Ausbildung zu schauen (Fachschule gegen Uni) und dabei die Inhalte zu ignorieren, ist nämlich keine gute Grundlage für einen fairen Vergleich.


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22.03.2004 19:35
avatar  Nottebaum ( gelöscht )
#7
No
Nottebaum ( gelöscht )

Lehrerausbildung an der FH - das gabs doch schon mal. Damals hieß das alles nur Pädagogische Hochschule, und die war sehr praxisorientiert. Es geht ja auch nicht um alle Lehrer, sondern ausschließlich um die Grundschullehrer. Und ob deren Ausbildung durch das Haupt- und zweifache Nebenfachstudium an einer Universität besser geworden ist durch die Integration der PH´s in NRW in die Universitäten, wage ich zu bezweifeln. Ich habe oft genug mit frustrierten Studienabbrechern z.B. aus Köln oder Münster zu tun, die ihren Professor häufig nur vom Ansehen kennen, ansonsten es ausschließlich mit Assistenten zu tun haben und in Mathematik z.B. als angehende Grundschullehrer mit 300 und mehr Kommilitonen in einer Übung sitzen. Außerdem geht deren Praxisbezug gegen Null, so dass sie (trotz NC zwischen 1.2 und 2.8) der Uni den Rücken kehren und gerne Erzieher werden möchten. Außerdem - an der Uni lernen sie nichts über flexible Eingangsphase und den Umgang mit alters- und entwicklungsgemischten Kindern, denn sie sind Spezialisten für Bildung. Deshalb sollte man ihnen, wenn sie schon nicht ein gemeinsames Grundstudium (vgl.z.B.Belgien) haben, in der Primarstufe wenigstens Erzieherinnen zur Seite geben, wie ich es in KiTa aktuell NRW 4/2004 beschrieben habe. Das bedeutet aber, dass Erzieher auf Hochschulebene nach dem praxisorientierten Muster der Fachschule für Sozialpädagogik auszubilden wären unter Einbezug von qualifizierten Lehrpersonal der Fachschulen und nicht ausschließlich von inzwischen praxisfernen Fachhochschulprofessoren. Ich werde mir nächste Woche in Berlin selbst ein Bild vom dortigen Modell machen.
Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Schüler, die jetzt in der Klasse 10 sind, d.h. die im Juli 2004 den SII-Abschluß erwerben, erst zum Schuljahr 2006/07 sich zur Erzieherausbildung bewerben können, d.h. im Schuljahr 2005/06 wird es einen großen Einbruch geben, der noch dadurch verstärkt wird, dass das Arbeitsamt ab sofort seine Fördermöglichkeiten bei Umschulungen radikal einschränkt und die Kürzungen des Landes (incl. der Folgekürzungen bei den freien Trägern) für Schüler die Erzieherausbildung nicht gerade attraktiver macht.Da also somit die Zahl der potenziellen Erzieheraspiranten ohnehin sich zunehmend verringert, sollte man überlegen, wie man den Erzieherberuf, für den sich viele bewußt wegen des pädagogischen Umganges mit Kindern/Jugendlichen entscheiden, die jedoch nicht unter dem Noten- und Stundenplandiktat mit ihnen arbeiten wollen, attraktiver macht. Das geht nur über ein Hochschulstudium, da dadurch auch mehr Männer eher für diesen verantwortungsvollen Beruf zu gewinnen sind. So, jetzt ist es leider doch wieder länger geworden, aber es mußte sein !


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22.03.2004 20:02
avatar  Kolja Richter ( gelöscht )
#8
Ko
Kolja Richter ( gelöscht )

So eine ausführliche Antwort ist mir nur recht, weil ich dann wenigstens weiß, worauf Sie hinaus wollen.

Was die Attraktivität des Jobs für Männer angeht: Ich bin ein Mann und habe 1993 mein Abi mit einem Schnitt von 1,6 abgeschlossen. Eine Erzieherausbildung wäre damals für mich unter keinen Umständen in Frage gekommen. Das wäre mir nach dem Abi als Rückschritt erschienen. Ich wollte ein anständiges Studium. Vermutlich geht es vielen Abiturienten so. Insofern haben Sie mit Ihrer Einschätzung wahrscheinlich ins Schwarze getroffen.

Hinzu kommt noch das Bild, dass man sich in der Öffentlichkeit von der Arbeit einer Erzieherin macht. Mir war 1993 gar nicht bekannt, dass im Kindergarten auch Bildungsarbeit geleistet werden soll. Ich war der Meinung, der Schwerpunkt der Arbeit liege vorwiegend auf pflegerischen Tätigkeiten. Es kann übrigens gut passieren, dass der Erzieherberuf diesen Schwerpunkt bekommt. Ich kenne viele Einrichtungen, die die geburtenschwachen Jahrgänge dadurch ausgleichen wollen, dass sie Kinder unter 3 aufnehmen. Da wird sich dann wohl der Gruppenalltag vorwiegend um Fläschchen und Windeln drehen und erst in zweiter Linie um Bildungsarbeit. Das ist jedenfalls meine Befürchtung.

Kürzlich ist mir aufgefallen, dass es in England einen Studiengang B.A. childhood and youth studies gibt. Auch der gilt als Eingangsqualifikation für das PGCE early years. Ich muss mir das mal anschauen. Bis sich hier in D endlich mal was bewegt, kann ja noch Jahre dauern.


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24.03.2004 06:51
avatar  nottebaum ( gelöscht )
#9
no
nottebaum ( gelöscht )

Mir ist noch etwas eingefallen : Pikanterweise ist das Berliner Modell von mehreren Frauen konzipiert (Pestalozzi-Fröbel-Haus, Alice-Salomon-Fachhochschule und Humboldt-Universität)und gegen alle Widerstände durchgesetzt worden, wobei dann auch die GEW geholfen hat.
Das Kooperartionsmodell in Hannover ist dem ehemaligen Fachschuldirektor zu verdanken, der als Direktor gleichzeitig auch Honorarprofessor an der ev. Fachhochschule war. Beim Modell in Emden ging die Initiative u.a. von einem Professor aus.
Ich glaube aber, dass die Kooperationsmodelle nur die halbe Lösung sind, sie retten vorübergehend die Fachschulen, beruhigen sie einerseits und bieten den Fachhochschulen andererseits ein interessantes Praxisfeld. Wenn man die Ausbildung verändern will, dann sollte man eine ganze Wendung vollziehen (praxisorientiertes Studium) und nicht auf halbem Wege anhalten. Wenn es dort den Begriff ´lehrende Diplomsozialpädagogen´ gibt, dann könnte es auch analog dazu für den Übergang, d.h. bis zum Erreichen der Pensionsgrenze, den Begriff ´lehrende Fachschullehrer´ bzw. ´Fachschullehrer im Fachhochschuldienst´ - ähnlich den ´Studienräten im Hochschuldienst´ an den Universitäten geben....


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24.03.2004 11:26
avatar  Kolja Richter ( gelöscht )
#10
Ko
Kolja Richter ( gelöscht )

Link zu einem berufsbegleitenden Weiterbildungsstudium der Uni Bremen:
http://www.weiterbildung.uni-bremen.de/w...kurse/wsfb.html

Hat allerdings nur einen Studienumfang von 420 Studen. Angesichts dessen finde ich die Studiengebühren von über 3000 Euro ganz schön happig.

Im Grunde halte ich ein berufsbegleitendes Weiterbildungsstudium für einen vielversprechenden Weg, die Qualifikation der derzeit eingesetzten Fachkräfte zu verbessern.

Trotzdem werde ich die Finger davon lassen. Ob bei einer Reform der Ausbildung die in Bremen erbrachten Studienleistungen auch in NRW irgendeine Berücksichtigung finden, wage ich doch zu bezweifeln. Mittlerweile kenne ich meine deutsche Kleinstaaterei.


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24.03.2004 16:30
avatar  nottebaum ( gelöscht )
#11
no
nottebaum ( gelöscht )

Weiterbildung - alles schön und gut, finanzieller Einsatz und späterer Nutzen sind eventuell umgekehrt proportional, d.h. der Einsatz für das Ego rentiert sich kaum.
Der Einsatz der Uni´s und FH´s für die Erzieherausbildung kommt nicht von ungefähr, denn in NRW verlieren Hochschulen massenhaft Studenten durch die Einführung von Studiengelder für Zweitstudenten. Die RWTH Aachen rechnet z.B. mit mehr als 5 000 (von ca. 30 000), auch den FH´s in der Stadt geht es nicht anders. Somit könnte das Engagement der FH´s für die Erzieherausbildung durchaus pragmatischer Natur sein, denn eine gute Fachschule hatte mindestens 250 ´Studierende´, d.h. jährlich ca. 100 Neuanfänger zu Zeiten, als die Erzieherausbildung noch attraktiv war. Andererseits sehe ich, dass viele Hochschulzugangsberechtigte ein Universitätsstudium ohnehin, aber auch ein Diplomsozialpädagogikstudium in der derzeitigen Form an einer FH bewußt ablehnen und statt dessen die Erzieherausbildung machen wollen. 50 % der Neuanfänger des kommenden Schuljahres bei uns haben (Fach-)abitur, selbst auf der Warteliste für das Nachrückverfahren dominieren die Studierberechtigten, ohne dass sie bewußt selektiert wären. Die anderen Aspiranten melden sich nicht oder wandern erst in die Kinderpflegerausbildung o.ä. ab. Jedenfalls würde das Klientel der Hochschulzugangsberechtigten sofort auf ein praxisorientiertes FH-Erzieherstudium wie in Berlin zugreifen, was aber wiederum die Existenz einer Fachschule bedroht.


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24.03.2004 22:17
avatar  Kolja Richter ( gelöscht )
#12
Ko
Kolja Richter ( gelöscht )

Interessant. An meiner Schule haben nur wenige Schüler Fachhochschulreife.

Welchen konkreten Tipp würden Sie mir denn geben, um mich für die Zukunft zu wappnen? Vermutlich abwarten.


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25.03.2004 14:15
avatar  nottebaum ( gelöscht )
#13
no
nottebaum ( gelöscht )

Abwarten ist die schlechteste aaler denkbaren Lösungen. Man muss seinem Widersacher immer einen Schritt voraus sein, das hat mir mein Vater immer gesagt. Also, wir haben auf Vorschlag eines großen Heimes mit ihm ein Konzept für einen "Facherzieher für die Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern" (1200 Stunden berufsbegleitend für 2 Jahre) erarbeitet, das evtl das Wegbrechen einer Klasse (40 Wochen zu 35 Stunden = 1400 Stunden) auffangen könnte. Sollten wir es durchbekommen, haben wir schon genügend Interessenten mit Berufserfahrung, die diese Ausbildung gerne machen wollen. Übrigens, dies Fachschule gibt es in NRW nicht, so dass wir Neuland betreten, was Vor- und Nachteile hat. Laut VVzAP0-BK (NRW Amtsblatt 2/04,S45 ff)können aber auch Aufbaubildungsgänge u.a. Sozialmanagement, musikalische Förderung oder Sprachförderung (600 Std) eingerichtet werden. Außerdem gibt es auch die Möglichkeit, wie oben beschrieben, z.B. 1-jährige Fachschulen (1200 Std) einzurichten - sofern der Träger mitspielt und man ein lukratives Fachgebiet gefunden hat, das mit Schülernachfrage rechnen läßt. Wenn das der Fall ist, muss erst noch die Kultusbürokratie mitspielen und den Modellversuch genehmigen, aber solange keine zusätzliche Lehrerstelle eingerichtet werden muss, da ja genug Kollegen "übrig" sind durch den Schülerrückgang, müßte bei etwas gutem Willen aller Beteiligten eine Realisierung möglich sein, denn die neue Alternative ist ja nahezu kostenneutral. Allerdings muss man schon jetzt nachdenken, denn vom ersten Gedanken bis zur Verwirklichung verfliegen im wahrsten Sinne des Wortes mindestens 2 Jahre ! Und wir denken bei allem Fachsimpeln über die Handlungsfelder und Lernsituationen weiter nach - zumindestens solange wir noch Luft zum Atmen haben.


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22.03.2004 18:50
avatar  Kolja Richter ( gelöscht )
#14
Ko
Kolja Richter ( gelöscht )

Hier noch schnell der Link zur englischen teacher training agency:
www.useyourheadteach.gov.uk

Und hier ein Link zu den Seiten der Open University, an der man z.B. ein B.A. (hons) erwerben kann, mit dem man sich für den postgradualen PGCE Studiengang bewerben kann. Auch das PGCE kann man an der Open University erwerben, allerdings bislang nur für die Sekundarstufe. Eine Einführung des PGCE für primary school ist aber bereits geplant:
www3.open.ac.uk/courses/bin/p12.dll?A01

Wer mehr darüber wissen möchte, welche akedemische Qualifikation ein englischer Lehrer erwerben muss, der kann hier nachschauen:
www3.open.ac.uk/courses/recognition/1_01.pdf


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21.03.2004 16:02
avatar  Nottebaum ( gelöscht )
#15
No
Nottebaum ( gelöscht )

Hallo Herr Draude,
meine Position ist in dieser Frage klar, denn natürlich ist die Schulausbildung nicht zeitgemäß - ach dann nicht, wenn man von einem ´Fachschulexamen´ spricht, die bisherigen Schüler aus ´Studierende´ bezeichnet und das Fachlehrersystem zu Gunsten eines ´Lehrerpools´ abschafft. Offizielle Lesart : Es sollen möglichst wenig Lehrkräfte im Bildungsgang unterrichten, die möglichst viele Fächer vertreten - sogar wenn es fachfremde Fächer sind. Wahrlich ein Quantensprung in der Qualitätsoffensive der SPD/Grüne-Koalition in Düsseldorf, die Bildungsstandards überall einführen will, aber den ErzieherInnen für ihre Ausbildung verbietet. Hieß es zunächst, eine 2-jährige Berufsausbildung oder die 2-jährige Berufsfachschule Sozialwesen mit FH-Abschluß seien Eingangsvoraussetzung, so gibt es inzwischen mindestens 7 verschiedene Möglichkeiten, u.a. sogar die, wenn einer die Berufsfachschule nicht mit Erfolg abgeschlossen hat, dann hat er auch den Passierschein ! Hieß es zunächst, man kann eine einmal nicht bestandene FH-Prüfung nicht wiederholen, so könen jetzt alle, die diese Prüfung an der Berufsfachschule/Fachoberschule nicht bestanden haben bzw. nicht so gut bestanden haben, wie erhofft, diese in der Erzieherausbildung erneut anpeilen und gegebenenfalls verbessern ! Inwieweit die Sache mit den Lernfeldern und vor allem mit den Lernsituationen einem bundesweit vergleichbarem Ausbildungsstandard förderlich ist, will ich hier erst gar nicht weiter anschneiden. Ich stelle nur fest, dass es an den Wählern liegt, den Parteien klar zu machen, dass NRW nicht das Schlußlicht aller Bundesländer sein muß. Im Kindertagesstättenbereich ist es ja, wie letzte Woche bekannt wurde, ohnehin der Fall und durch den Wegfall der Zuschüsse steht bis 2007 die Schließung der Horte und Verkleinerung der Gruppenzahl der Kindertagesstätten an. Es ließen sich noch mehr Punkte nennen. Immerhin hat sich die Düsseldorfer SPD/GRÜNE als Reaktion auf einen FDP-Antrag ´Qualitätsoffensive Elementarpädagogik - Optimale Bedingungen für die Förderung unserer Kinder schaffen" (und aus Furcht vor den kommenden Landtagswahlen) dazu aufgerafft, einen eigenen Entschließungsantrag einzubringen, in dem sie die Landesregierung in 7 Punkten u.a. dazu auffordern,
1) die Bildungsprozesse im Elementarbereich zu stärken,
2) die Diskussion über die Weiterentwicklung des Bildungssystems Elementarpädagogik voranzutreiben
3) die Ergebnisse des Modellversuchs zur Fachhochschulqualifizierung von
Erzieherinnen(Berlin) darzustellen und zu bewerten
Vielleicht kommt jetzt etwas Bewegung in die Diskussion in NRW.


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