Zur Reform der ErzieherInnenausbildung

11.04.2000 18:38
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Helga Metzner ( gelöscht )

April 2000

1. Reformbedarf :
Der gesellschaftliche Wandel erfordert ein neues Bildungsverständnis
und ein neues Verständnis der beruflichen Qualifikation von
Erzieherinnen.

Die Kritik an der Ausbildung von Erzieherinnen sowie die zahlreichen Versuche, sie zu reformieren, haben eine lange Tradition. Hauptkritikpunkte an der gegenwärtigen Struktur,an Inhalten und Methoden der Ausbildung sind die Defizite in Wissenschaftlichkeit und Eigenverantwortchkeit der Lernprozesse, der mangelnde Bezug zu gesellschaftlichen Entwicklungen, zu Veränderungen im Berufsfeld und am Arbeitsmarkt sowie zu den sich entsprechend verändernden Qualifikationsanforderungen.

- Durch die zunehmende Individualisierung der Lebensverhältnisse, veränderte Familienstrukturen sowie die Internationalisierung und wachsende Heterogenität in der Zusammensetzung von Kindergruppen entwickeln sich neue Erfahrungsräume, aber auch neue Unsicherheiten.

- Kindertagesstätten haben daher die Funktion als eigenständiger Bildungsort und sozialer Lernort für Kinder wahrzunehmen und die psychosozialen und interkulturellen Kompetenzen zu vermitteln, die zur Bewältigung und Gestaltung des gesellschaftlichen Wandels notwendig sind.

- Um den Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen einzulösen, muß geklärt werden, welche Vorstellungen von Kindern der Arbeit zugrundegelegt werden sollen. Hier bieten die veränderten Perspektiven, mit denen die wissenschaftliche Forschung Kinder heute wahrnimmt, neue Ansätze für eine gezielt geplante pädagogische Tätigkeit.

- Kindertagesstätten müssen sich - wie alle Bildungsinstitutionen - für die
veränderten Erfahrungswelten öffnen und sich als Dienstleistungs- und Kommunikationsort für Familien verstehen.


1.1 Anforderungen

Daraus ergeben sich erhebliche Anforderungen an die fachliche und interaktive Kompetenz zukünftiger Erzieherinnen.
Erzieherinnen spielen eine Schlüsselrolle in der innovativen Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Kindertageseinrichtungen - auf mehreren Ebenen:

- der Umsetzung des Bildungsauftrags der Kindertagesstätte durch
Aktivierung und Begleitung von Bildungs- und Erziehungsprozessen der
Kinder. Die Leistung zukünftiger ErzieherInnen bemißt sich daran, ob es
ihnen gelingt, anregende Erfahrungsbereiche zu gestalten, die die Kinder
produktiv verarbeiten können , und solche Lernprozesse zu stützen, die
Kindern wichtige Schüsselqualifikationen vermitteln,


- der Auseinandersetzung mit und der Orientierung an der Lebenswirklichkeit von Kindern und deren Umfeld,

- der interkulturellen Orientierung von Bildungs- und Erziehungskonzepten,

- der Kommunikation mit Familien und der Eröffnung von
Partizipationsmöglichkeiten für Eltern,

- der Kooperation mit Schulen und anderen Einrichtungen im
Gemeinwesen.



1.2 Ziele der Ausbildung

Die Arbeit in Kindertagesstätten erfordert eine individualisierende , die Selbsttätigkeit und grundlegende Bildungsprozesse fördernde Arbeit mit Kindern - und ihren Familien.
Sie setzt differenzierte Kenntnisse ( frühkindlicher Entwicklung, der besonderen "Bildbarkeit " von Kindern in den frühen Jahren u.a.), diagnostische und didaktische Kompetenzen, Kommunikationsformen und Kooperationsstrategien voraus.
Erzieherinnenarbeit ist - wie andere soziale Dienstleistungen- in mehrfacher Weise von Ungewißheit gekennzeichnet. Das Verhältnis von Mittel und Ziel ist nicht im Sinne technischer Regeln bestimmbar.
" Die Ungewißheit des Verhältnisses von Funktion und Ziel ergibt sich vor allen Dingen daraus, daß die Arbeit Vermeidungsarbeit ist, Risiken sollen abgewehrt werden, deren Auftreten nach Zeitpunkt ,Volumen und Qualität aber ungewiß sind.... Aber : Arbeit unter den Bedingungen von Ungewißheit ist angemessen nur unter den Bedingungen von professioneller Arbeit zu leisten. Es ist gerade das Kennzeichen der Ungewißheit, das diese Arbeit von technischer Arbeit unterscheidet und die berufliche Fähigkeit voraussetzt, in der Ungewißheit verantwortlich zu handeln." ( U. Rabe-Kleberg....)


Ziel einer Reform der Erzieherinnenausbildung muß es sein, die Absolventinnen zu befähigen, ihre Arbeit in Kindertageseinrichtungen professionell zu gestalten und entsprechende Kompetenzen für die vielfältigen Handlungsfelder - Arbeit in Kindertageseinrichtungen, in anderen Einrichtungen der Jugendhilfe, mit Familien - zu erwerben.

Eine Reform der Ausbildung kann nicht nur eine stärkere Gewichtung der
Persönlichkeitsbildung zum Ziel haben , sondern muß auf die veränderte Berufsrealität Bezug nehmen, indem sie im Rahmen einer neuen Profilbildung spezifische Fähigkeiten vermittelt :


- die Individualität der Kinder vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher
familialer Entwicklungsbedingungen und Familienkulturen wahrzunehmen und
zu unterstützen,

- pädagogische Konzeptionen zur systematischen Förderung komplexer
kindlicher Lernprozesse zu entwickeln ,

- die Partizipationsrechte von Kindern und Eltern zu berücksichtigen,

- eigene Einstellungen , pädagogische Ziele und Arbeitsformen kritisch zu
reflektieren,

- Selbst- und Peer- Evaluation ebenso wie Fort- und
Weiterbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen .


Eine stärkere "Verwissenschaftlichung der beruflichen Kenntnisse und des Erwerbs der Kenntnisse" (U. Rabe-Kleberg, 1993) , die konsequente Verknüpfung mit / Orientierung an den sozialpädagogischen Praxisfeldern sowie die Stärkung der
Eigenverantwortlichkeit der zukünftigen Erzieherinnen sind die wesentlichen Anforderungen, die an eine Ausbildungsreform gestellt sind.


2. Reformempfehlungen

Professionalität ist ohne Veränderung des Ausbildungsprofils und der
Ausbildungsstruktur nicht erreichbar.
In den bisher geltenden Strukturen der Fachschule hat sich -. trotz einzelner
Reformansätze - die Diskrepanz zwischen der Ausbildung und den komplexer werdenden Anforderungen an die Tätigkeit von ErzieherInnen vergrößert.
Die schulische Organisationsform sowie die Zergliederung der Bildungsinhalte in fachtheoretische und fachpraktische Anteile sind Elemente eines
Bildungskonzeptes, das die Vermittlung von Fachkenntnissen und Fertigkeiten zum Ziel hat.
Praxisorientierte Theorievermittlung, Interdisziplinarität und eigenverantwortliches Lernen aber können in den bisherigen fachschulischen Strukturen kaum entwickelt werden.

Wir halten daher eine nachhaltige Reform, die sich an bereits erfolgreich realisierten Praxis der ErzieherInnenausbildung anderer europäischer Länder orientiert, für dringend geboten.


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