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Die GEW zur ErzieherInnenausbildung
GEW: Zur Reform der ErzieherInnenausbildung
Sechs Thesen
Die GEW hat 1995 eine Stellungnahme zur Reform der ErzieherInnenausbildung abgegeben, ohne die neuen KMK (Kultusministerkonferenz der Länder) -Rahmenvereinbarungen vom 28.01.2000 zu kennen.
Interessanterweise weisen die Ziele der KMK-Vereinbarung, die Qualifikations-beschreibungen und die didaktisch-methodischen Grundsätze des Berufsbildes hohe Ähnlichkeiten mit den GEW-Vorstellungen einer fundierten ErzieherInnenausbildung auf:
• Vermittlung beruflicher Handlungskompetenz, die Fach - Methoden- Sozial- und Selbstkompetenz verknüpft
• Die Erzieherin soll Zusammenhänge erfassen und adäquat reagieren können, also beispielsweise aufgrund der Kenntnisse sozialer und gesellschaftlicher Zusammenhänge die Lage von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern erfassen und Unterstützung in Konfliktsituationen leisten
• Die Qualifizierung zur Erzieherin erfordert eine prozesshafte Ausbildung in enger Verzahnung der unterschiedlichen Lernorte, die den subjektiven Lernprozess der Studierenden berücksichtigt
In diesen Punkten kann Einigkeit erzielt werden. Entscheidend ist aber die Umsetzung der genannten Grundsätze in die Struktur, die inhaltliche Ausgestaltung und die Theorie-Praxis-Verzahnung des Ausbildungsablaufes. Während auch die neue KMK-Vereinbarung die Struktur der Ausbildung im Prinzip beim alten belässt ( lediglich die Ausbildungsdauer wird im Vergleich zur alten KMK-Vereinbarung aus dem Jahr 82 um ein Jahr verlängert) und so weit gefasst ist, dass die Bundesländer die Ausbildung beim status quo belassen können, fordert die GEW eine klare inhaltliche und strukturelle Reform.
These 1: Die heute existierende ErzieherInnenausbildung in Baden-Württemberg basiert strukturell und zum Teil auch inhaltlich auf den Erkenntnissen zur Zeit der Gründung der Fachschulen Anfang der 70er Jahre.
Es haben seit der Einführung der Fachschule 1971, die heute immer noch ähnliche Strukturen aufweist, gewaltige gesellschaftliche Veränderungen stattgefunden:
• Gesellschaftliche Veränderung, sprich Individualisierung der Lebensverhält-nisse, Pluralisierung der Lebensformen, Verarmung der Familien - wird nur ansatzweise im neuen Lehrplan für Erziehungswissenschaften / Didaktik und Methodik der Soz.päd. diskutiert.
• Es existiert heute ein wesentlich differenzierteres Bild über die Entwicklung des Menschen als noch vor 25 Jahren - dieses kann in der Kürze der Ausbildungszeit und bei den bisher geforderten Eingangs-voraussetzungen nur ansatzweise vermittelt werden.
• Die Veränderung von einer national fixierten Gesellschaft hin zu einer mulitkulturellen Gesellschaft setzt eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Veränderungen voraus.
• Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz hat eher zur Abwertung des Berufes geführt anstatt das Niveau zu heben (z.B. die Ausweitung der Zweitkräfte auf nicht-ausgebildetes Personal, festgehalten im "reformierten" Kindergartengesetz von Baden-Württemberg).
• Die "Europatauglichkeit" der in Deutschland ausgebildeten Erzieherin, Diskussionsstoff seit der Gründung der EU, kann nicht konstatiert werden; das Gegenteil ist der Fall: alle anderen europäischen Länder (ausser Österreich) haben eine Ausbildung auf Hochschulniveau.
• Die Diskussion um den Erwerb von Handlungskompetenz und von Schlüssel-qualifikationen hat den Weg frei gemacht für Lernformen, die nicht mehr frontal ausgerichtet sind, sondern mit Handlungsorientierung, Theorie-Praxis-Verzahnung, selbstbestimmtes Lernen, Teamarbeit in Kleingruppen , fächerübergreifendes Lernen, Projektarbeit usw. gekennzeichnet werden können. In der traditionellen Schulform sind diese Elemente nur sehr schwer zu realisieren.
• Die in den letzten Jahren heftig geführte Diskussion um Qualitätsstandards und Qualitätssicherung in Kindertageseinrichtungen erfordert eine Auseinander-setzung mit diesem Thema und müsste beispielsweise in Projektform an den Fachschulen durchgeführt werden. Der Lehrplan sieht dies nicht vor.
• Zukünftige Arbeit auch in sozialpädagogischen Feldern hat sich von der linearen Arbeits- und Denkweise verabschiedet und erfordert vernetztes Denken und kooperatives Handeln.
These 2: Die Struktur der Berufsschule als Rahmen für eine pädagogische Ausbildung behindert kreatives und eigenständiges Lernen
• Mehrfachnutzung der Klassenräume führt z.B. dazu, Material zu verschließen ; es verliert somit den Lern-Aufforderungscharakter.
• Zu hohe Klassenfrequenzen verhindern eigenständiges Lernen im Sinne einer individuellen beruflichen Kompetenzentwicklung.
• Die Berufsschulstruktur muss mehrere Abteilungen organisieren; spezifische Belange der Sozialpädagogik werden dadurch zu wenig beachtet.
• Der Einsatz der LehrerInnen in verschiedenen Schulformen verhindert deren Identifikation mit der Ausbildung der ErzieherInnen ; dies kann so zu weniger Engagement cder LehrerInnen führen.
• Teamarbeit, Projekte und fächerverbindender wie -übergreifender Unterricht werden so wesentlich erschwert.
• "Da Schulleitungen von Berufsschulen häufig aus anderen Fachrichtungen kommen, fehlt ihnen die Kompetenz für die Besonderheiten der Sozialpädagogik."
(GEW, Reform der ErzieherInnenausbildung, Ffm 97, 16)
These 3: Die Eingangsvoraussetzungen garantieren in der Regel noch nicht die notwendigen Bildungs- und Lebenserfahrungen für die berufliche Kompetenzentwicklung
• Mit dem i.d.R. sehr niedrigem Lebensalter gerade in diesem bedeutenden Lebensabschnitt, in dem jeder Monat einschneidende Veränderungen im Leben eines jungen Menschen hervorrufen kann, bringen die SchülerInnen noch nicht die Lebenserfahrung mit, um pädagogische Probleme mit Distanz zu sehen.
• Die SchülerInnen haben noch erhebliche Schwierigkeiten mit dem Perspektivwechsel vom Zu-Erziehenden zum Erziehenden.
• Sie befinden sich i.d.R. im familiären Ablösungsprozess und sollen gleichzeitig Jugendlichen angemessen pädagogisch begegnen.
• bei der heutigen Generation der SchülerInnen (dem sogenannten "neue Sozialisationstyp") ist das Nehmen und Versorgtwerden stärker ausgeprägt als die Eigeninitiative.
These 4: Ausbildungs- und Schulstruktur stehen - trotz durchgeführter Reformen - der beruflichen Kompetenzentwicklung der angehenden Erzieherinnen entgegen.
• Die Einbindung der FSP in die Berufsschulstruktur verhindert tendentiell die Entwicklung selbständiger Lernformen und das Entstehen eines eigenständigen FSP - Profils (siehe These 2).
• Der Fächerkanon verhindert letztendlich vernetztes Denken und das Lernen in Zusammenhängen.
• Die Vielzahl der Unterrichtsfächer und die hohe Zahl der Pflichtstunden lässt ebenfalls selbständiges Arbeiten und die individuelle Auswahl von Schwerpunkten nicht zu.
• fächerübergreifendes Lernen könnte dieses Defizit auffangen, ist aber aufgrund der engen zweijährigen Schulzeit, die einen großen Praxisteil und die Prüfungszeit beinhaltet, nur mit äußerster Kraftanstrengung und nur ansatzweise zu realisieren.
• Die Kohärenz von Praxis und Theorie kann den Schülerinnen auch hier nur ansatzweise vermittelt werden, weil strukturell und inhaltlich die Schule auf die Themen, Probleme und Fragestellungen aus der Praxis nur ansatzweise reagieren kann (Durchführung des sehr engen Lehrplanes, der explizit keinen Praxisbezug hat und in dem keine Vorbereitung und Nachbereitung der Praxis vorgesehen ist!).
These 5: Der Bildungsföderalismus ist für die ErzieherInnenausbildung abträglich
• Zugangsvoraussetzungen, Inhalte, Dauer und Organisation der Ausbildung sind trotz der neuen KMK - Rahmenvereinbarung vom Januar '00 unterschiedlich geregelt und werden ständig - je nach politischer und fiskalischer Notwendigkeit - geändert.
• Zugangsvoraussetzungen werden je nach Arbeitsmarktlage herauf - oder herabgesetzt.
• Verbindliche Standards der Ausbildung und des Anforderungsprofils an eine Mitarbeiterin im sozialpädagogischen Bereich, die auch die neue KMK-Rahmenvereinbarung nur in den allgemein formulierten Qualifikations- und Methodenansprüchen aufzeigt, fehlen bundesweit und können so zu einer Dequalifizierung der Ausbildung führen.
These 6: Die Ausbildung zur Erzieherin muss mindestens auf Fachhochschul-niveau stattfinden
• Die Entwicklung und Modernisierung des frühkindlichen öffentlichen Sozial- und Erziehungswesens führte zu einer Verbesserung des Anspruchs an das Personal (Stichwort: von der Kindergärtnerin zur Erzieherin), aber nicht zu einer konzeptionell und bildungsplanerisch abgestimmten Ausbildungsreform.
• Die Ausbildung zur "Jugendleiterin" an der FHS wurde abgekoppelt von der bis dato als Voraussetzung geforderten Erstausbildung zur "Kindergärtnerin".
• Das Prinzip der sozialpädagogischen Qualifizierung aus einer Hand wurde aufgegeben und machte aus dem ErzieherInnenberuf einen "Sackgassenberuf".
• Um aber dem Anspruch der Praxis wieder gerecht zu werden, und die Erzieherin aus dem Sackgassenberuf herauszuführen, ist die Ausbildung mindestens auf FHS-Niveau unabdingbar; in Kürze soll noch einmal dargestellt werden, warum diese Notwendigkeit besteht.
1. Die Eingangsvoraussetzungen : höheres Lebensalter, qualifizierter allgemeinbildender Abschluss, Fähigkeit zum eigenständigen Lernen
2. Organisation und Struktur der FHS : offeneres, vielfältigeres Lernklima
3. Reduzierung der Fächer, bzw. echte Umsetzung von Lernbereichen: vertiefte Auseinandersetzung mit Fragestellungen aus der Praxis; selbständige Auseinandersetzung mit Studieninhalten
4. Intensive Verzahnung von Theorie und Praxis: erworbene Kompetenzen werden in der Praxis überprüft - Fragestellungen aus der Praxis sind Leitfaden für die theoretische Auseinandersetzung
Wer die ersten Lebensjahre als prägend für den Erwerb von Identität, Handlungskompetenz und demokratischer Haltung eines Menschen begreift, wird um eine qualitativ entschieden verbesserte Ausbildung der Erzieherin nicht herumkommen.
Wigbert Draude, AK ErzieherInnenausbildung , GEW Baden-Württemberg:
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