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Kommentar zur geplanten Reform der ErzieherInnenausbildung in Baden-Württ.
Wigbert Draude, GEW Baden-Württemberg
Diskussionsbeitrag zum Konzeptionsentwurf "Novellierung der Erzieherinnenausbildung" des Kultusministeriums vom 19.7.01
Kein Durchbruch!
Wenn der zur Diskussion vorliegende Konzeptionsentwurf zur "Novellierung der Erzieherinnenausbildung" realisiert werden sollte, dann hat der große Durchbruch zu einer entscheidenden Reform der ErzieherInnenausbildung in Baden-Württemberg leider nicht stattgefunden. Es wird mit der Konzeption ein Entwurf vorgestellt, der lediglich die Minimalanforderungen der "Rahmenvereinbarung zur Ausbildung und Prüfung von Erziehern/Erzieherinnen" der Kultusministerkonferenz vom Januar 2000 erfüllt . Dort heißt es:
"Der gesamte Ausbildungsweg dauert unter Einbeziehung der beruflichen Vorbildung in der Regel fünf Jahre, mindestens jedoch vier Jahre.
Baden-Württemberg bietet, wenn der Konzeptionsentwurf verbindlich wird, also eine insgesamt vierjährige Ausbildung an.
Dieser Minimalkonsens taugt nicht dazu, die Vergleichbarkeit der Ausbildungsqualität in anderen Bundesländern, wie z.B. Schleswig-Holstein (2 Jahre SozialassistentInnen-Ausbildung + 3 Jahre Erzieherinnenausbildung) oder Bayern (zweijährige Ausbildung zur Kinderpflegerin + dreijährige Erzieherinnenausbildung) herzustellen. Erst recht nicht ist hiermit die berühmte Europatauglichkeit der Erzieherin gewährleistet. Im europäischen Ausland wird die Erzieherin mit der reformierten Ausbildung wie bisher lediglich Aushilfsjobs oder Animateurarbeit im Freizeitbereich besetzen dürfen, nicht aber die fachliche Arbeit. Diese Arbeit leisten in der gesamten EU (außer Österreich) an Hochschulen ausgebildete PädagogInnen. Hier wurde wieder eine gewaltige Chance vertan, im Bildungsbereich europaweit aufzuholen. Entsprechend vernachlässigt wird, das ist real zu befürchten, eine dringend notwendige Bildungsinitiative im Elementarbereich. Wer soll, auch wenn es ein schlüssiges Bildungskonzept gäbe, diese Arbeit erfolgreich umsetzen? Hier soll nicht der Eindruck entstehen, als würden die Erzieherinnen heute keine einsatzfreudige und oft aufopferungsvolle Arbeit leisten. Aber die Erzieherinnen selbst beklagen die schlechte Qualität der Ausbildung und die fehlenden Möglichkeiten, sich weiterzuqualifizieren.
Ein Reförmchen?
Positiv ist sicher zu vermerken, dass das Vorpraktikum abgeschafft wird und statt dessen ein 1-jähriges Berufskolleg für Praktikantinnen eingerichtet wird, welches an die "Fachschule für Sozialpädagogik" angegliedert werden soll.
Ebenso ist positiv zu vermerken, dass mit der Ausbildung zur Erzieherin nun auch die Fachhochschulreife erworben werden kann.
Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass insgesamt nicht der mutige und notwendige Schritt initiiert wird, die Ausbildung mindestens auf Fachhochschulebene mit entsprechenden Abschlüssen zu heben.
Es scheint also nicht - wie in Nordrhein-Westfalen - zumindest diskutiert zu werden, dass ein zweijähriges Berufskolleg mit dem Berufsabschluss einer Sozialassistentin und eine anschließende dreijährige Ausbildung zur Erzieherin eine Alternative sein könnte, wobei sicher genau geschaut werden muss, wie eine Sozialassistentin in den sozialen Berufen eingesetzt wird und ob sie nicht letztendlich das Niveau im Elementarbereich senken würde. Hier wären klare Beschreibungen des beruflichen Einsatzes nötig. Man muss sicherlich auch darüber diskutieren, inwiefern man jungen Frauen (und Männern), welche nur einen mittleren Bildungsabschluss erreichen, aber nicht die Fachhochschulreife, die Chance geben sollte, in sozialen Berufsfeldern tätig zu werden, ohne damit diesen sozialen Bereich ein weiteres Mal abzuwerten.
Vom Fächerkanon zu den Lernbereichen - umsonst ist nichts zu haben!
Ebenso ist die inhaltliche Reform der Erzieherinnenausbildung völlig unklar. Es drängt sich vor allem die Frage auf, wie der bisherige traditionelle Fächerkanon in Lernbereiche umgeändert werden soll. Das linear - moderne Denken und Handeln im Fächerkanon hinkt dem postmodernen vernetzten Denken und Handeln hinterher, unterscheidet sich qualitativ von diesem. Ebenso ist die inhaltliche Verknüpfung zwischen dem neu zu schaffenden Berufskolleg und der Fachschule unklar. Würde hier - wie bisher zwischen der Schulbetreuung von Vorpraktikantinnen und FSP üblich - kein Zusammenhang hergestellt, müsste die Verknappung der Stunden innerhalb der "Sozialpädagogischen Theorie und Praxis" beklagt werden. Denn die bisherigen Fächer Erziehungswissenschaften und Didaktik/Methodik der Sozialpädagogik hatten vor Jahren einmal 8 Stunden betragen, sie würden jetzt nur noch 6 Stunden belegen. Dass Ökologie und Gesundheit - allem der motorische Bereich - eine Aufwertung erfährt, ist sicher zu begrüßen. Dass er aber gegen die sogenannten "Theoriefächer" verrechnet wird, kann so (miss-)verstanden werden, als würde man zugunsten der Bewegung das Denken vernachlässigen wollen, frei nach dem Spruch: "Was man nicht im Kopf hat, das hat man in den Beinen." Es ist ja im Gegenteil so, dass in der Ausbildung die Reflexionsfähigkeit und das vernetzte Denken entschieden gefördert werden müssen, um den heutigen Herausforderungen in der elementaren Bildung gerecht zu werden.
Eine inhaltliche Reform muss eine Kommission leisten, die sich auf diese Arbeit auch konzentrieren kann. Diese Kommission sollte auf der einen Seite wissenschaftliche Beratung erhalten und auf der anderen Seite eine kontinuierliche, reflektierte Zusammenarbeit mit der Praxis ermöglicht bekommen. Eine solche Kommission sollte sich aus Lehrkräften aus den Fachschulen (die für diese Arbeit freigestellt werden müssten), aus VertreterInnen von Wissenschaft und Praxis und aus MitarbeiterInnen des Kultusministeriums zusammensetzen. Eine mindestens zweijährige kontinuierliche Arbeit wäre notwendig, um eine den heutigen Anforderungen entsprechende Reform der Erzieherinnenausbildung zu gestalten.
Zu befürchten ist allerdings, dass eine Lehrplankommission eingesetzt wird, die aus Lehrkräften der Fachschulen besteht, welche sozusagen "nebenher" eine solche Reform betreibt. Das wäre fatal und würde eine weitere Chance verhindern, Qualität in den elementaren Bildungsbereich und in die Erzieherinnenausbildung zu bringen!
Praxisbezug - Nein Danke!
Der Stellenwert der Praxis verschlechtert sich, will man dem Entwurf politische Realität zubilligen. Sogenannte Kostengründe stechen ins Auge, wenn man liest, dass das bisherige Vorpraktikum nun endlich von der Fachschule für Sozialpädagogik betreut werden soll. Um dies zu erreichen, streckt man aber sozusagen die Ressourcen: der Betreuungsschlüssel wird für die gesamte Ausbildung auf 1(Lehrkraft) : 3 (Praktikan-tInnen) festgelegt. Diese Kürzung des Schlüssels im Schulzeitbereich um ein Drittel (hier war der Schlüssel bisher 1:2) hat Auswirkungen, welche die SchülerInnen der FSPs im Lande in Briefen an Ministerin Schavan geschildert haben: beratende Besuche sind nicht mehr möglich. Die Verweildauer der Lehrkraft am Praxisort wird so verkürzt, dass eine individuelle abgestimmte Beratung nicht mehr möglich ist. Für die Lehrkräfte auf dem Land bedeutet diese Verkürzung eine noch größere Hektik, da die Strecken zwischen den Praxisorten doch z.T. zeitlich sehr intensiv sind. Die Verlagerung von Beratung an die Schulen zum Zwecke der Einsparung von Besuchen in der Praxis wäre fatal, da hier die unterstützende Funktion der Anleiterin und der bisher gute Kontakt zwischen den Praxisstellen und den Schulen erheblich eingeschränkt würde. Ebenso wäre gerade die bewährte Beratung vor Ort erheblich eingeschränkt. Ausdrücklich hat die KMK-Vereinbarung vom Januar 2000 folgenden didaktisch-methodischen Grundsatz aufgenommen:
Die Qualifizierung erfordert eine prozesshafte Ausbildung in enger Verzahnung der unterschiedlichen Lernorte, die den subjektiven Lernprozess der künftigen Erzieher und Erzieherinnen berücksichtigt.
Bei dem vorgegebenen Betreuungsschlüssel wird gerade der engen Verzahnung von Schule und Praxisort als die entscheidenden Lernorte entgegengewirkt. Der subjektive Lernprozess kann von der betreuenden Lehrkraft nur noch erschwert begleitet werden, da die abgestimmte Zusammenarbeit mit der Anleiterin verengt wird und die Zeit der Betreuung wesentlich verkürzt wird. Ein klassisches Eigentor!
Insgesamt wird also aufgrund finanzieller Einschränkung einerseits und der weiter existierenden gesellschaftlichen Abwertung des ErzieherInnenberufes andererseits eine große Chance vertan, eine echte Reform der Erzieherinnenausbildung in Baden-Württemberg herbeizuführen!
(abgedruckt in: b&w, 12/2001
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