Lernfelder

22.02.2004 00:35
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#1
ju
jutta ( gelöscht )

Jutta schrieb:
Ich arbeite als Lehrerin an einer privaten FSP in Baden-Württemberg und mache gerade meine Erfahrungen mit dem neuen Lernfeldkonzept im Berufskolleg Praktikanten. Ich halte das Lernfeldkonzept für unausgegoren und einseitig. Es wurde aus der gewerblich-technischen Ausbildung im dualen Berufsbildungssystem einfach auf die Erzieherausbildung übertragen. Es besteht aber ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den beruflichen Anforderungen und
typischen beruflichen Handlungen z.B. bei einem KFZ-Mechaniker und denen eines Erziehers! Die beruflichen Handlunssituationen, mit denen sich ein Erzieher konfrontiert sieht, lassen sich nicht so klar ein- und abgrenzen und jede ist anders und individuell (so wie die Kinder). Deshalb können "Lernsituationen", die sich immer eng an einer konkreten beruflichen Aufgabenstellung orientieren, niemals die Breite des Berufsfeldes und das dafür notwendige Fachwissen
abbilden. Sich nur von einer "Lernsituation" zur anderen zu hangeln, führt zu einem unsystematischen, chaotischen Wissenssammelsurium. Die Erfinder des Lernfeldkonzepts haben viele Grundbegriffe und Probleme dieses didaktischen Ansatzes noch nicht geklärt (z.B. den Begriff "Lernsituation" oder die Frage, wie aus Wissensbruchstücken ein geordnetes Ganzes entstehen kann). Die Erfahrungen der Schülerin zeigen, dass das Konzept absolut unprofessionell, ohne methodische Schulung der Lehrer eingeführt wird. Meinem Eindruck nach blicken die Verantwortlichen in den Oberschulämtern selbst nicht richtig durch!
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin absolut für eine enge Verbindung von Theorie und Praxis, für die Orientierung an beruflich notwendigen Kompetenzen (Fach-, Methoden, Sozial- und personale Kompetenz), für Projektarbeit, fächerverbindenden Unterricht und handlungsorientiertes, schüleraktives Lernen. Ich praktiziere das auch so mit meinen Schülerinnen und Schülern. Aber es ist auch notwendig, einen Grundstock an systematischem Fachwissen zu vermitteln und hier darf der Lehrer die Schüler nicht einfach alleine lassen. Er muss das zu erarbeitende Thema vorstrukturieren, einen ersten fachlichen Überblick geben, geeignete Methoden der Erarbeitung auswählen und die dazu nötige Methodenkompetenz vermitteln, Arbeitsmaterialien vor-auswählen, Aufgabenstellungen für Gruppenarbeit formulieren, die Gruppen bei der Arbeit unterstützen, die Gruppenarbeit bei der Präsentation auswerten und die Ergebnisse fachlich beurteilen, ergänzen und sichern helfen. Außerdem ist Gruppenarbeit nur EINE unter vielen möglichen Methoden. Dass ein solches Arbeiten einen großen Vorbereitungsaufwand und eine enge Kooperation der Lehrer voraussetzt, ist wohl klar! Wenn das nicht gegeben ist, kann es nur
schiefgehen! Außerdem muss der Lehrer den Lernprozess und die Lernmethoden mit den Schülern reflektieren. Wenn diese das Gefühl haben, nichts zu lernen und
unzufrieden sind, müssen andere Wege gesucht werden. Obwohl ich das alles praktiziere, bin ich mir manchmal nicht sicher, ob dieses didaktische Vorgehen speziell am Beginn der Ausbildung immer sinnvoll ist - sehr zeitaufwändig, das fachliche Niveau nicht immer befriedigend! Das darf man aber den Schülern nicht anlasten. Wenn Schüler in der Ausbildung schon weiter sind, klappen solche Unterrichtsmethoden oft sehr gut, weil dann ein Grundwissen schon vorhanden ist. Ich habe allerdings auch den Eindruck, dass den Schülern der Unterricht besser gefällt und sie interessierter und aktiver sind, wenn sie selbst mehr erarbeiten können. Meine Schüler jedenfalls rufen immer gleich nach Gruppenarbeit, bloss kein Frontalunterricht!! Vielleicht merken sie erst jetzt, dass sie beim reinen Zuhören bisher nicht so viel gelernt haben? Oder es macht eben mehr Spass, mit Gleichaltrigen zu arbeiten als still in der Bank zu sitzen.
Das Schlagwort vom "Lehrer als Moderator" hört sich ja toll an, muss aber wohl mit Inhalt gefüllt werden!! Ich würde gerne auch mal von Kollegen hören, wie sie das Lernfeldkonzept und die Arbeit damit beurteilen!
jutta


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