Ich habe ein echt richtig großes Problem. Seit einer Woche mache ich ein Praktikum (Jahrespraktikum) in einem Kindergarten. Meine Anleiterin ist so richtig... wie soll ich sagen, sie schimpft ständig mit den Kindern, gängelt, nörgelt und manchmal schreit sie sie richtig an. Dann herrscht erstmal für einige Sekunden totenstille und allen, ich eingeschlossen stockt der Atem. Sie hält sie am Arm, zieht sie weg. Sie legt sehr (sehrsehr) großen Wert auf ordentliches Benehmen. SO alte Schule mäßig. Die Kinder müssen zu allem Danke und Bitte sagen, alles in ordentlichen grammatikalisch richtigen Sätzen. Aber sie selber sieht es nicht ein, dass sie um etwas fragt. Sie bestimmt und befiehlt das ist alles.
Sie schneidet die Fantasie der Kinder, indem sie zum Beispiel über ein Bild sagt: Oh du Dummerchen, es gibt doch kein blaues Haus. Geh mal ein „normales Haus“. Damit meint sie ein weißes Haus mit rotem, spitz zulaufenden Dach und auf einer Seite ein Schornstein. Auch ich habe in dieser Ersten Woche ein paar Vorschläge gemacht, die sie sofort verwarf und sich darüber lächerlich machte. Sie ist so Ende 30 und meint wirklich sie hätte alle Weisheit dieser Welt mit großen Löffeln gegessen, und alle anderen haben keine Ahnung. Das härteste: sie lästert ohne mit der Wimper zu zucken in Gegenwart der Kinder über deren Eltern, wie blöd sie wären usw.
Leider kommt sie offensichtlich damit durch. Die anderen, ca 15 Mitarbeiterinnen scheinen damit ganz gut leben zu können (sind eh alle total harmoniesüchtig, und reden in einer Mischung aus kameradschaft, respekt und esoterischer Erleuchtung miteinander). Die Küche stellt die besten Dinge, die übriggeblieben sind nur für sie bereit, wenn ihr versteht, was ich meine. Es ist fast so, als wenn eine Betriebsblindheit gegenüber ihrem Verhalten herrscht. Und das obwohl fast jede aus den anderen Gruppen Ziel ihrer Giftspritze wird. Schon am ersten Tag wurde ich über die einzelnen Mitarbeiterinnen und ihre besonderen Merkmale eingeweiht. Bis jetzt habe ich in fast jeder Einrichtung so jemanden kennengelernt, aber warum ausgerechnet als Anleiterin? Sie ist diejenige, die mir ein Zeugnis ausstellen wird.
Jetzt muss ich wieder den A... hinhalten und die Diskussion eröffnen. Ich weiß nicht, wie die anderen reagieren werden. Vielleicht warten sie ja nur darauf, dass endlich jemand das feuer eröffnet. Aber das will ich eigentlich gar nicht. Klar, irgendwie muss ich meinen Standpunkt vertreten, und ihr auch klarmachen, dass sie mit mir nicht wie mit einem kleinen dummen Kind zu reden hat, aber ganz ehrlich. Ich hab Schiss!
Ich kann mir jetzt schon bildlich vorstellen, wie sie darauf reagiert, obwohl ich noch nicht mal weiß, wie ich vorgehen soll. Das macht mich selbst so unzufrieden, dass ich jetzt schon Angst habe, dass meine eigene Beziehung darunter leidet.
Soll ich vielleicht einfach noch etwas abwarten und sie einfach im Alltag mit den eigenen Dingen reflektieren, indem ich zum Beispiel ignoriere, wenn sie ohne Bitte einfach etwas anfordert (z.B „Ich hätte dann auch gerne....“). Soll ich sie einfach darauf ansprechen und ganz klar einen Streit vom Zaum brechen, der natürlich auch seine Wellen nach außerhalb der Gruppe trägt, und das in einem offenbar funktionierenden System? Ich weiß es nicht. Bin aber ordentlich verzweifelt, wie man daran sehr gut sehen kann, dass ich um halb fünf Uhr Nachts nicht mehr schlafen kann und meine Gedanken aufschreiben muss. Habt ihr Tipps für mich?
Vielen Dank, Bernd
PS: Ach ja, ich bin übrigens, wie so oft der einzige männliche Mitarbeiter in der Einrichtung, was die Sache auch nicht leichter macht. Oder doch?
